ANSBACH (mik) - "Im Land der Blaukarierten ist jeder blau kariert", schmettern die Schüler der Karolinenschule zur Eröffnung der Projektwoche "Integration ausländischer Mitbürger" gegen den Geräuschpegel im Brücken-Center an. Das Lied handelt von den Problemen, die ein "Buntgescheckter" hat, wenn er sich unter die "Blaukarierten" verirrt. Ihr Alltag in der Klasse 4b führt den blau kariert und bunt geschminkten Schülern immer wieder vor Augen, dass Integration kein Modetrend, sondern dringende Notwendigkeit ist. Die 16 Mädchen und Jungs, die auf der Bühne stehen, kommen aus neun verschiedenen Ländern.
Der Fortbildungskurs "Integration ausländischer Mitbürger" (IaM), der seit einigen Monaten in Ansbach läuft, ist ein Pilotprojekt im Freistaat Bayern. Auf ihn soll durch die Projektwoche im Einkaufszentrum aufmerksam gemacht werden. Er fußt auf dem Gedanken, dass vor der beruflichen Eingliederung in vielen Fällen zunächst einmal die soziale Integration stehen muss.
"Wir haben in der Vergangenheit oft festgestellt, dass bei Fortbildungskursen mit Ausländern andere Schwierigkeiten auftreten, als bei deutschen Teilnehmern", erklärt die Leiterin der "Beruflichen Weiterbildung Sozialagentur" (BWS), Edith Schumann. A und O sei die sprachliche Verständigung, aber auch mit der deutschen Kultur müssten die ausländischen Mitbürger vertraut gemacht werden.
Zu Beispiel sähen Moslems oftmals Frauen nicht als gleichberechtigt an. Islamische Frauen hätten oft Schwierigkeiten, in der Öffentlichkeit aufzutreten. Oder sie blieben an traditionellen Feiertagen wie im Fastenmonat Ramadan einfach zu Hause, obwohl sie bei deutschen Firmen beschäftigt sind. Auch die Quote der Analphabeten sei unter ausländischen Kursteilnehmern besonders hoch. "Und die Partizipation von ausländischen Jugendlichen am Lehrstellenmarkt ist schlichtweg miserabel", zählt Dr. Christian Wilisch vom Industrie und Handelsgremium weiter auf. Der Grund: Viele ausländische Jugendliche kennen das duale Ausbildungssystem nicht.
Mit den "normalen" Kursen, die nach den Förderungsrichtlinien des Sozialgesetzbuches aufgebaut sind, konnten diese Hürden nicht bewältigt werden. Deshalb entwickelte Edith Schumann ein neues Konzept für einen Kurs "Integration ausländischer Mitbürger", der neben der beruflichen Fortbildung auch die soziale Eingliederung zum Ziel hat:
Selbst aktiv werden
Mit verschiedenen Aktionen sollen Berührungsängste abgebaut werden. Es werden Betriebe besichtigt, kulturelle Veranstaltungen besucht und selbst organisiert. darüber hianus wird Teamfähigkeit trainiert und die kritische Selbsteinschätzung eingeübt. Die Kinder werden während der Qualifizierungsmaßnahme betreut. Gemeinsam wird auch Sport getrieben. Als "Hilfe zur Selbsthilfe" bezeichnet Schumann die Initiative, in der die ausländischen Mitbürger selbst aktiv werden und an ihrer eigenen Integration arbeiten müssen.
Beim Bayerischen Arbeitsministerium rannte sie damit sprichwörtlich offene Türen ein. Nach kurzer Zeit kam für das Ansbacher Pilotprojekt grünes Licht:"Prima," meinte Ministerialdirigent Helmut Huber begeistert, "setzt das um!"
Potenzial soll genutzt werden
Begleitet werden sollte das Projekt nach den Münchner Vorstellungen durch einen Arbeitskreis, der auch "gute Ideen und Anregungen" einbringen und für die Vernetzung in der Öffentlichkeit sorgen soll.
Dies wurde im Februar durch die Gründung eines Gremiums gleichen Namens umgesetzt, in dem Vertreter des Schul- und Arbeitsamtes ebenso mitarbeiten, wie der Ansbacher Ausländerbeirat, das Mütterzentrum, die Sozialämter von Stadt und Landkreis, der VdK und der TSV 1860 Ansbach. "Es gibt viele Angebote zur Selbsthilfe", meint IaM-Sprecher Gerhard Fuchs, Leiter des Gastronomischen Berufsbildungszentrum der IHK Mittelfranken, "sie müssen nur kennengelernt und angenommen werden."
Langfristig haben auf dem deutschen Arbeitsmarkt nur qualifizierte Arbeitskräfte eine Chance, sind sich Fuchs und Dr. Wilisch einig. Und die deutsche Wirtschaft könne es sich nicht leisten, dass ihr auf Dauer das große Potenzial der ausländischen Mitbürger verloren geht.
Deshalb wird die Arbeit des IaM-Kreises auch nach der Projektwoche weitergehen, wird das Ziel einer "Gesellschaft ohne Ausgrenzung" mit neuen Aktionen, etwa einer "Olympiade mit ausländischen Mitbürgern" weiterverfolgt. Damit es so ausgeht, wie in dem Lied von der 4b, in dem die "Blaukarierten" dann doch gemerkt haben, was sie an ihren "Buntgefleckten" haben.
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